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Mehr als nur Stimme - Die 5 Werkzeuge eines Synchronsprechers

Was braucht man als Synchronsprecher? Klar – seine Stimme. Doch damit ist es nicht getan, der Beruf erfordert einiges mehr. Vito Franz ist Sprecher-Student an der Deutschen POP in Bochum und gerade dabei, sein eigenes Business aufzubauen, schon während des Studiums. Je eher desto besser, das finden auch wir! Im aktuellen Feature lest ihr, welches Skillset man im Werkzeugkasten eines Sprechers findet, und welche Tipps Vito für euch parat hat, wenn auch ihr über eine Karriere im Stimmen-Business nachdenkt.  

Tool 1 - Ein solides Fundament: Portfolio in Progress  

Eine gute Basis beginnt bei einem guten Portfolio. Ob Synchronsprechen, Hörbuch-Vertonungen, oder andere Projekte – es ist wichtig zu zeigen, was man draufhat, “auch wenn du noch nicht für Jobs bezahlt wirst”, erzählt uns Vito. Freizeit-Projekte sind eine gute Übung, um das Business kennenzulernen.  

In einem seiner neuesten Projekte spricht der Bochumer Student zum Beispiel eine Rolle im bekannten Anime My Roommate is a Cat. Zusammen mit etwa 15 Kollegen und Mitstudenten hat er sich zur Aufgabe gemacht, für eine Projektarbeit an der POP die erste deutsche Fassung des Anime zu vertonen – die gibt es nämlich bis dato nicht. An so einem Projekt hängen eine ganze Menge andere Aufgaben: “Wir haben die komplette Serie erst mal übersetzt. Dann mussten wir natürlich noch die Rollen passend casten. Dazu analysiert man die Charaktere und ihr Verhalten. Wir haben die komplette Arbeit eines Studios gemacht”. Diese Aufgaben sind spannend für Vito, denn so bekommt er einen Einblick in die täglichen Arbeitsabläufe eines Sprechers. “Das ganze dient der Übung, aber wenn wir damit fertig sind, haben wir alle ordentlich was im Portfolio vorzuweisen. Damit können wir uns für richtige Jobs bewerben”. Sein Tipp: Ständig am Portfolio arbeiten, Aufnahmeproben sammeln, ordnen!  

Tool 2 - Emotion und Rekonstruktion  

Stimmen werden in allen Formen und Farben gesucht. Von hell bis dunkel, von Dialekt bis akzentfrei – in Nachrichten, Werbespots, Videospielen, Filmvertonungen, Hörbüchern...die Liste für potentielle Sprecherjobs ist groß. Doch ohne die richtigen Emotionen geht auch mit der passenden Stimme nicht viel – denn eine Rolle ist nicht nur eine Stimme, sondern auch die Persönlichkeit dahinter. “Es gibt viele Methoden, sich auf eine Rolle vorzubereiten. Viele davon haben mit Schauspiel zu tun”, erklärt Vito. “Ich sammle immer erst Infos und Bilder zur Rolle, da kann man schon viel ableiten. Man erkennt körperliche Zentren, treibende Kräfte der Figur, negative und positive Emotionen, und Dinge wie Sprachfehler, wie eine Figur geht und steht – das alles gehört zum Gesamtbild, so kann man sich in die Rolle einfühlen”. Als weitere Übung führt Vito gern eine Art inneren Monolog als der Charakter selbst und schreibt diesen auf: “Ich nehme den Charakter komplett auseinander, bevor ich ihn spreche”. Das klingt nach viel Arbeit, doch es lohnt sich im Nachhinein, denn “viele denken, du musst deine Stimme beherrschen und beim Sprechen verstellen können, dass sie zum Charakter passt. Doch eigentlich muss man seine Stimme komplett vergessen, du darfst sie gar nicht hören. Wenn du den Charakter verkörperst, kommt die Stimme von ganz allein. Nur dann ist es authentisch”. Sein Fazit: Charakteranalyse und ständiges Stimmtraining aus verschiedenen Blickwinkeln.  

Tool 3 – Vorbereitung, Anpassung, Flexibilität 

Nicht nur stimmlich und emotional ist es gut, vorbereitet zu sein, auch mit der Technik sollte man sich auskennen, empfiehlt der POP Student: “Jedes Tonstudio arbeitet anders, man sollte darauf vorbereitet sein. Einige haben einen Teleprompter, andere arbeiten mit Stift und Papier”. Das allerdings war für Vito zunächst eine Herausforderung, denn der 29-jährige leidet unter einer Sehschwäche: “es läuft darauf hinaus, dass ich auf dem rechten Auge nur 20% Sehkraft habe. Eine Brille hilft leider nicht”. Damit hat er es nicht unbedingt leicht, seinen Text abzulesen, was ihn jedoch nicht davon abhält, 100% zu geben. Der Bochumer Student weiß, sich selbst zu helfen: “mit einigen Methoden kann man das beim Sprechen ausgleichen – ich arbeite immer mit einem iPad, statt mit Text auf Papier. Die Schrift kann ich größer stellen und die Farben umkehren. Das iPad kommt auf einen beweglichen Arm, direkt auf Augenhöhe neben mein Mikro. So kann ich vernünftig mit dem Text arbeiten”, verrät er uns. Und wie kann er sehen, wann eine Figur die Lippen bewegt? Auch dafür hat der Sprecher in spe ein Workaround: “hier arbeite ich mit einem Timecode. Ich messe die Zeit, wann meine Figur beginnt zu sprechen, wann sie pausiert, und so weiter. So weiß ich, wann ich loslegen muss. Man lernt mit der Zeit, sich an verschiedenen Sachen zu orientieren”. Vitos Tipp: Anpassungsfähig bleiben! Was wird von mir verlangt, und wie kann ich es am besten lösen?  

Tool 4 - Initiative  

Wer im Beruf erfolgreich sein will, der muss auch was dafür tun – das ist nichts neues. Oft fällt es aber gerade Berufseinsteigern schwer, sich in ihrer neuen Branche zurechtzufinden. Vito hat dafür einen Tipp parat: Ein gutes Netzwerk, schon während des Studiums. Hierbei sei es egal, wo man anfange, Hauptsache, man schafft eine Verbindung. Für sein aktuelles Synchron-Projekt hat er zum Beispiel einen großen Teil seines Teams über die Deutsche POP Discord Gruppe gefunden. Wenn man erst mal ein paar Kontakte hat, breitet sich das schnell aus, “dann gibt es jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt, und so weiter. So hat man ganz schnell sein Team zusammen”. So startet er hier und da Projekte, die das Netzwerk erweitern und gleichzeitig eine Menge Übung und Erfahrung ermöglichen. Laut Vito ist “Ausbildung das, was man daraus macht, deswegen vernetze ich mich schon jetzt so gut es geht”.  

Der angehende Sprecher hat sich auch mit Studios und Profis aus der Branche in Verbindung gesetzt: “Heutzutage geht sowas einfach über Instagram. Man muss ja nicht direkt nach Arbeit fragen. Aber Feedback gibt jeder gern, und daraus eröffnet sich ein Gespräch. Feedback muss man übrigens auch vertragen können”. Außerdem sei es nie verkehrt, neben der Ausbildung auch aktiv andere Dinge zu betreiben: “Du musst dich selbst finden und individuell entwickeln. Nimm auch mal Schauspielunterricht oder Gesangsunterricht, das schadet nicht”. Ein großes Thema, deshalb hat Vito hier gleich zwei Tipps: Network, Network, Network! Und aktiv Fühler ausstrecken - Mehr Übung und Erfahrung schaden nie!  

Tool 5 - Zuversicht und Überzeugung

  Und was ist für Vito die größte Challenge als angehender, selbstständiger Sprecher? Seine Antwort:

“Du musst dich jeden Tag wieder dafür entscheiden, Sprecher zu sein”

Obwohl Vito noch studiert, hat er schon viel über den Prozess als selbstständiger Sprecher nachgedacht, und die eventuellen Rückschläge, die damit verbunden sind: “Es wird bestimmt auch mal Niederlagen geben, aber davon darf man sich nicht unterkriegen lassen. Wenn man selbstständig ist, muss man sich um alles kümmern, aber macht das, was einen erfüllt. Das ist mir wichtiger als schnell mit irgendeinem Bürojob viel Geld zu verdienen”. Der junge Sprecher weiß, wovon er redet, denn Erfahrungen mit einem gut bezahlten, festen 9-5 Job hat er bereits gesammelt: "Das waren auch gute Jahre. Man lernt viel im Großkonzern und es gibt sehr gute Gründe dort zu bleiben. Ich habe mich lange damit auseinandergesetzt und zweifle jeden Tag... Jeder zweifelt. Arnold Schwarzenegger hat heute noch Albträume in denen seine Mutter ihn weckt und ihm sagt, es wäre Zeit für seine Schicht als Fabrikarbeiter. Aber wenn du es schaffst trotz Zweifel weiter dranzubleiben, entsteht daraus Selbstvertrauen. Du weißt einfach wer du bist. Und das ist absolut wichtig und notwendig". Man merke: Wenn man professionell ins Sprecher-Business einsteigen will, sollte man sich sicher sein, zuversichtlich bleiben und sich von Rückschlägen nicht unterkriegen lassen!